Vor vielen, vielen Jahren besuchte ich eine Fortbildung bei Frau Nitza Katz Bernstein zum Thema ‘Safe Place’. Frau Katz Bernstein ist eine Frau mit einem ganz besonderen Weg und vielen Titeln (Logopädin, Kinderpsychologin, Supervisorin, Professorin an der Uni Dortmund etc…..). Sie schrieb etliche sehr interessante und feinfühlige Bücher zu ihren Spezialgebieten. Heute ist sie mehrheitlich im Ruhestand, engagiert sich aber immer noch im Bereich ihrer Schwerpunktthemen: Redeflussstörungen, Selektiver Mutismus, Erzählfähigkeit, Kinder unter Armutsbedingungen.
Geboren in einem Kyburz in Palästina/Israel als Jüdin, wuchs sie ab 3 Jahren in einem Kinderdorf auf. Diese Erfahrung hat ihr Leben stark geprägt. Ihre Eltern halfen, als deutschstämmige geflüchtete Juden, in Israel dieses Kinderdorf aufzubauen, in welchem Holocaust-Kinder und Jugendliche aufgenommen wurden und ein Zuhause fanden. Die Idee war, diese Kinder durch Lernen, Arbeit (Mithilfe in Ackerbau, Garten, bei den Tieren, im Haus) und Kreativität (Singen, Malen, Tanzen, Musik machen) aus ihren Traumata heraus zu holen. Die Kinder wählten selber, wo sie Hand anlegen wollten, denn die Arbeit sollte ihnen Freude machen und sie sollten sich als wichtiger Bestandteil der Kommune erfahren. Es wurde viel gesungen, um daraus Kraft und Energie zu schöpfen für einen Neuanfang. Diese Erfahrung brachte Frau Nitza Katz später zu ihrem Therapiekonzept, welches sie bei zahlreichen Kindern mit den unterschiedlichsten Schwierigkeiten anwendete und bis heute in vielen Kursen und Weiterbildungen an Fachpersonen weitergibt. Egal, welches die Probleme sind, die Grundpfeiler ihrer Arbeit sind immer: ein Ziel – ein Projekt zu haben, zu handeln, etwas aufzubauen und kreativ zu sein, und sich auf diese Weise dem Problem zu widmen.
Beim ‘Safe Place’ geht es darum, mit dem Kind, welches sich aus den verschiedensten Gründen und Ängsten der Kommunikation auf allen Ebenen verweigert, einen ‘ Safe Place’ zu schaffen (dies ist dann das erste Projekt/Ziel, die erste Handlung). Einen Ort, den sich das Kind selber gestalten kann, nach seinen Bedürfnissen, und in den es sich während der Therapiezeit zurückziehen kann. Dieser Raum ist ein geschützter Ort (Teil des Therapieraums), der dem Kind hilft zu erfahren und zu verstehen, dass es in Sicherheit ist, respektiert und angenommen wird, so wie es ist, und von welchem aus es, in eigenem Tempo, in Kontakt treten kann mit der Therapeutin oder dem Therapeuten. Manche Kinder bauen sich eine kleine Hütte, andere richten es sich gemütlich ein auf einem Teppich mit Kissen und Kuscheltieren.
Als ich gestern Abend in meinem Meditationszimmer auf meinem gemütlichen Sessel sass, so dachte ich plötzlich an diesen Kurs. Und ich fühlte eine grosse Dankbarkeit für meinen ‘Safe Place’. Für dieses Zimmer, das mir Ruhe schenkt, das ganz alleine mir gehört, in welches ich mich zurückziehen kann, wann immer mir danach ist. Und als ich so vor mich hin sinnierte und an diesen Kurs zurück dachte, erinnerte ich mich auch an ein Ritual, von welchem Frau Katz uns erzählte, und welches sie mit ihren eigenen Kindern am Ende des Tages, wie auch mit den Therapiekindern am Ende der Stunde durchführte. Auch mein Mann und ich führten dieses Ritual mit unseren Kindern viele Jahre lang durch. Beim Ritual geht es darum, in Achtsamkeit den Tag oder die Therapiestunde oder sonst eine Einheit mit drei Fragen an sich selbst abzuschliessen. Hier ein Beispiel für das Ende des Tages:
Frage 1: Was war heute ein ganz besonders schönes Erlebnis?
Mit dieser Frage blicken wir mit Positivität und Dankbarkeit auf den vergangenen Tag zurück. Und meist kommt uns nicht nur eine Sache in den Sinn, die wir als schön empfunden haben.
Frage 2: Was war heute herausfordernd für mich?
Mit dieser Frage stellen wir uns mutig auch den Herausforderungen des Tages. Wir drücken sie nicht einfach weg, oder lassen sie grollend anschwellen. Nein! Wir blicken ihnen in die Augen und geben ihnen Raum, damit sie auch wieder von uns abfliessen können.
Frage 3: Was wünsche ich mir für den morgigen Tag?
Mit dieser Frage blicken wir nach vorne und lassen hinter uns, was war. Wir können in der Vergangenheit nichts mehr verändern, aber im Morgen schon. Wir denken einen Augenblick darüber nach, auf welche Weise wir uns in der Welt zeigen möchten.
Die Adventszeit ist nun da. Eine Zeit, in der viele das Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug verspüren, obwohl es im Aussen oft ganz hektisch zu und her geht. Manchmal weiss man gar nicht, wie man sich in dieser ganzen Hektik, Ruhe und Raum schaffen kann.
Darum lade ich dich ein, dir auch einen kleinen, gemütlichen ‘Safe Place’ zu gestalten, wo du dich jeden Tag einen Moment lang, vielleicht mit einer Tasse Tee, zurückziehen kannst. Und wenn du dich vom oben erwähnten Ritual angesprochen fühlst, so probiere es aus. Es ist ein kurzer Augenblick der Achtsamkeit, den du dir schenkst. Vielleicht hast du sogar Lust, darüber ein kleines Adventstagebuch zu führen, in welches du deine Antworten aufnotierst. Sicher spannend und vielleicht auch überraschend, was sich an Weihnachten zeigt, wenn du lesend nochmals auf die Tage zurückblicken kannst.
Ich wünsche dir eine schöne Adventszeit
Susanna
Kommentar schreiben
Claudia (Samstag, 30 November 2024 20:27)
Danke liebe Susanna für diese wunderbare Inspiration�
Thomas (Samstag, 30 November 2024 23:13)
Hallo Susanna - merci für die gute Idee ... freue mich auf meine kommenden 24 x 3 Antworten.
LG und auch Dir eine schöne Adventszeit